„Bis vor wenigen Jahrzehnten war es üblich, Haus- und Hofsorten anzubauen; sie wurden gemeinsam mit Haus, Garten und Feld weitervererbt. Sie gehörten quasi zur Familie, waren den Anbaubedingungen und der Kochkultur durch langjährige Auslese angepasst. Das Wissen um die Vermehrung der Pflanzen ist eng mit einzelnen Sorten und mit dem Standort verwachsen, an dem die Pflanzen kultiviert werden. Je besser eine Sorte einem Standort angepasst ist, umso leichter gelingt auch die Vermehrung dieser Sorte.“ Diesen Abschnitt habe ich im Handbuch Samengärtnerei von Andrea Heistinger gelesen und war sehr berührt.
Ich selbst komme vom Bauernhof und kenne noch Omas bzw. Mamas Gemüsegarten. Zusätzlich haben wir auf einem Acker mit unserem Nachbarn zusammen einige Reihen Kartoffeln angebaut. Doch irgendwann wurde der Gemüsegarten immer kleiner, die Kartoffeln wurden in den Garten verlagert und wir haben mehr Lebensmittel eingekauft. Bei mir selbst ging die Abkopplung von der Natur noch weiter: als ich mit 20 Jahren zum Studieren ausgezogen bin, habe ich beim Einkaufen auf den Preis geachtet und auf wenig anderes. Ich fand mich schlau, weil ich den 100g-Preis verglichen habe und nicht nur den Preis.
Glücklicherweise kam eine innere Wende. Nachdem es mich mit Anfang 30 Richtung Bioladen und den dort angebotenen Lebensmitteln zog, kann ich mir jetzt nicht mehr langfristig vorstellen, ohne eigenen Gemüse, Kartoffel- und Getreideanbau zu leben. Der Geschmack ist einfach unvergleichbar. Während viele Lebensmittel aus dem Supermarkt und meines Erachtens auch aus dem Bioladen in Richtung einer einheitlichen Geschmacksrichtung gleiten, liebe ich es, die Geschmacksvielfalt aus dem Garten, vom Acker und aus Wald und Wiese kennenzulernen. Folgende Zeile drücken das sehr gut aus. Trixi schrieb nach unserer ersten Ernteausgabe: „Die Karotten…als ich ein Stück davon probierte, machte es flash…und ich war zurück in meine Kindheit versetzt wo meine Eltern einen Schrebergarten hatten…ich wusste gar nicht mehr wie „echte “ Karotten schmecken. Echt meega Geschmack!!!“
Monokultur – Sorten verschwinden und werden einheitlicher
In den letzten Jahrzehnten verschwanden Hunderte von Kulturpflanzensorten vom Markt und aus den Gärten. Die professionelle Pflanzenzüchtung engt die Verfügungsrechte über Sorten schrittweise ein. In der modernen Landwirtschaft wird es am Liebsten gesehen, wenn Landwirte ihr Saatgut für das nächste Jahr neu kaufen – oder dafür zahlen, wenn sie ihr eigenes zur Bestellung eines Feldes nutzen.
Frühere Landsorten wiesen eine wesentlich größere genetische Variabilität auf als die modernen Sorten. Einzelne Sorten waren oft nur kleinräumig verbreitet, sie unterschieden sich von Tal zu Tal, von Landstrich zu Landstrich. Und waren damit angepasst für die Umgebung, in der sie gedeihen sollten. Und angepasst für die Menschen, die eben genau dort lebten.
Stammen deine Lebensmittel aus samenfesten Sorten oder Hybridsaatgut?
Samenfeste Sorten geben ihre Eigenschaften in einem kontinuierlichen Erbstrom an ihre Nachkommen weiter. Die Nachkommen ähneln den Eltern, die Sorteneigenschaften ändern sich nicht abrupt, sondern verlaufend. Anders ist dies bei Hybridsaatgut. Hybridsaatgut sind „Einmalsorten“. Werden sie weiter vermehrt, bilden sie nur unfruchtbare Samen aus oder spalten sie in verschiedene Formen auf. Die Sorte als solche ist nicht beständig. Das scheint also alles andere als natürlich zu sein. Die Hybrid-Züchtung einer Sorte kann also mindestens als eingebautes „Copyright“ einer Sorte bezeichnet werden. Welche Geschichte wir dann mit dem ausgereiften Lebensmittel essen, darauf gehe ich weiter unten ein.
Hybridsaatgut wird erzeugt, indem einzelne Pflanzenindividuen mit sich selbst gekreuzt werden, um reinerbige Linien zu erhalten. Dies soll hohe Erträge und gleichartiges Aussehen des Gemüses ermöglichen. Da die meisten Gemüsekulturarten Fremdbefruchter sind, muss die Pflanze hierbei gezwungen werden, sich mit sich selbst zu kreuzen. Dies geschieht bei vielen Kulturarten mittels Einsatz biotechnischer Methoden in den Laboren der Züchtungsfirmen. Durch Hybridzüchtung wird die Abhängigkeit zwischen Züchtung und Saatgutproduktion auf der einen und landwirtschaftlicher Produktion auf der anderen Seite weiter fortgeschrieben. Die Abhängigkeit des Konsumenten von Konzernen ist nur eine logische Konsequenz.
Wir essen Geschichten – auch die Geschichte der Hybridzüchtung
Neben der Abhängigkeit ist für uns als Verbraucher auch der Konsum dieses Gemüses bedenklich. Tatsächlich müssen wir zwischen Nahrungs- und Lebensmitteln unterscheiden. Der unterschiedliche Gehalt an Biophotonen, Vitalstoffen, Mineralien und ordnender Information ist eine unbestreitbare Tatsache. Die ordnenden Informationen ergeben sich aus Geschichte, die ein Samenkorn oder ein Lebensmittel auf seinem bisherigen Weg erlebt hat. Das Wort In-form-ation beinhaltet seine Bedeutung: etwas in Form bringen. Wenn wir es essen, beeinflusst uns seine Geschichte, bringt uns also in Form. Ist es im Labor entstanden oder durfte es sich frei in und mit der Natur über Generationen entfalten. Was von beidem wünschst du dir für dich, dein Leben und deine Kinder? Schnell wird klar, dass es vielleicht gar nicht so gut ist, sich keine Gedanken darüber zu machen, wo seine Lebensmittel herkommen.
„Bio, was soll das sein?“
Dies drückte ein Mitglied im letzten Jahr recht deutlich aus: „Bio, was soll das sein?“ Wir unterhielten uns darüber, dass eine Biozertifizierung alleine nichts über die Qualität des Lebensmittels aussagt. Als wir unsere Marktgärtnerei gegründet haben, entschieden wir uns wegen des Aufwands und der Kosten bewusst gegen eine Bio-Zertifizierung. Stattdessen für eine kleine Gärtnerei und kleinbäuerliche Strukturen, die sich mit viel Hand und Herz dem Garten, dem Gemüse, dem Feld und dem Getreide und den Kartoffeln widmen. Wir möchten unsere Mitglieder durch Transparenz und Offenheit überzeugen. Und dazu gehört auch die eigene Jungpflanzenvorzucht mit samenfestem Saatgut und dem immer weiteren Ausbau der eigenen Saatgutgewinnung. Die wirkliche Individualität des Saatguts und des daraus wachsenden Lebensmittels ermöglicht Zukunftssicherung auf eine natürliche Art und Weise: Wir bewegen uns in eine Richtung, in der die Pflanzen, die wir anbauen, gut an unserem Standort und mit allen Unwägbarkeiten unseres Klimas gedeihen können.
Gesunde Ernährung – guten Appetit
Mit den hier aufgezeigten Abgründen möchte ich dir nicht sagen, dass du gleich deine komplette Ernährung umstellen solltest. Vielmehr bedeutet „gesunde“ Ernährung ehrliche Ernährung. Ehrlich sein heißt in diesem Fall, seinen Glaubenssätzen entsprechend zu essen. Wir fühlen uns nunmal zu bestimmten Lebensmitteln, Einkaufsmöglichkeiten oder Bauern hingezogen und haben bestimmte Überzeugungen und Ängste. Auch haben die oben beschriebenen Qualitätsmerkmale nichts mit der Frage rund um sogenannte Gesundheit oder Krankheit zu tun. Entscheidend dafür ist, inwieweit du mit der Geschichte des von dir bevorzugten Nahrungs- oder Lebensmittels im Reinen bist. Und wenn du bis hier hin gelesen hast, kann ich mir vorstellen, dass es dir nicht gleichgültig ist, was du aus deinen Lebensmitteln ziehst. Vielleicht schaust du beim nächsten Einkauf bewusster drauf, was du kaufst. Oder wenn du selbst anbaust, welches Saatgut du nutzt und woher es stammt.
Für mich lohnt sich der Anbau von Lebensmitteln aus samenfestem Saatgut alleine schon wegen des Geschmacks. Das heißt aber nicht, dass es mich nicht auch manchmal zu gekauften Lebensmitteln zieht. Ich versuche, es nicht dogmatisch zu sehen und esse das, worauf ich Lust habe.
Eine Hommage an den Samenbau in Gärten und auf Feldern
Selbst Samen zu vermehren ist bei vielen Gemüsesorten gar nicht schwer. Wir haben auch schon vor einigen Jahren angefangen, erste Versuche zu machen, Pflanzen wachsen und Samen bilden zu lassen. Diese haben wir dann als Saatgut für das nächste Jahr geerntet. Jahr für Jahr weiten wir dies etwas aus. Es ist ein angenehmes Gefühl, zu entdecken, dass die Natur uns ganz viel schenkt, was wir für ein freudvolles Leben nutzen dürfen.
Falls du selbst mit dem Samenbau starten möchtest, empfehle ich erstmal mit 2-3 Sorten anzufangen. Achte dabei aber wie oben schon beschrieben darauf, dass es samenfeste Sorten sind. Einen guten Einstieg in die Samengärtnerei bietet die Videoreihe von diyseeds.org.
Zum selbst weiter recherchieren
Hier findest du Bücher und Filme, in denen du das Gelesene nachvollziehen und selbst weiter vertiefen kannst:
- Handbuch Samengärtnerei – Sorten erhalten. Vielfalt vermehren. Gemüse genießen. Von Andrea Heistinger, Arche Noah, Pro Specie Rara
- Simplonik-Anwendungshandbuch von Dr. med Ulrich Mohr
- Kurzfilme zum Thema Samengärtnerei: https://www.diyseeds.org/de/films/
Um das Wissen rund um natürlichen Gemüsebau und natürliche Landwirtschaft zu verbreiten, bieten wir mehr kostenfreies Wissen unter Artikel und Videos. Wenn du Schritt für Schritt lernen möchtest, wie du leckere und gesunde Lebensmittel anbaust und gewinnst, wirst du in unserem Gartenkurs fündig.